In der Nacht vom 3. auf den 4. Juli 2014 befand sich eine syrische Flüchtlingsfamilie, ein Elternpaar und drei minderjährige Knaben, im Nachtzug auf dem Weg von Mailand nach Paris. Die französische Grenzpolizei hielt sie an und übergab sie dem Schweizerischen Grenzwachkorps, welcher die Familie Italien überstellen sollte. Die Familie wurde zunächst nach Brig gebracht, wo sie rund 24 Stunden festgehalten wurde. Die Frau war in der 27. Woche schwanger und litt unter zunehmenden Schmerzen, ihr Ehemann bat die Grenzwächter wiederholt um medizinische Hilfe, welche aber verweigert wurde. Als der Zug nach Domodossola einfuhr, musste die Frau von ihrer Familie in den Zug getragen werden. Bei der Ankunft in Italien wurde sie in ein Spital gebracht, wo der Tod des ungeborenen Mädchens festgestellt wurde.
Im Militärstrafverfahren gegen den einsatzleitenden Grenzwächter wurde dieser wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen verurteilt, da er der schwangeren Frau in Brig die medizinische Hilfe verweigert hatte. Von den übrigen Vorwürfen wurde er freigesprochen. Ein Aktengutachten hatte festgestellt, dass nicht mehr entschieden werden könne, ob das Kind im Mutterleib bei der Ankunft in Brig noch gelebt hatte.
Die Vorinstanz hatte aufgrund dieses Sachverhalts die Voraussetzungen für eine Genugtuung zu Gunsten der Frau im Betrag von CHF 12'000 für als erfüllt erachtet, dies war nicht angefochten worden. Die Genugtuungshöhe wurde vor allem mit der psychischen Beeinträchtigung begründet (u.a. Todesangst, Hilflosigkeit in der Obhut des Staates) (E.3.).
Ebenfalls hiess das Bundesgericht eine Genugtuung für den Ehemann gut (E.5.). Eine Angehörigengenugtuung gemäss Art. 49 OR kam dabei nicht in Frage. Hingegen waren die Voraussetzungen für eine Genugtuung als direkt Betroffener gegeben. Dabei leitete das höchste Gericht aus seiner Praxis zu den Schockschäden (BGE 112 II 118; BGE 138 II 276; BGE 127IV 22 E.7.3) ab, dass der Mann durch das Verhalten der Funktionäre selbst eine äusserst schwierige und emotional belastende Situation durchlitten hatte (E.5.6). Das Gericht könne, wenn es die grundsätzliche Schwere der Persönlichkeitsverletzung zulasse, auch eine geringfügige oder symbolische Genugtuung zusprechen (E.5.5). Da zudem ein Verschulden des Grenzwächters gemäss Art. 6 Abs. 2 VG vorlag, wurde dem Mann eine Genugtuung von CHF 1'000 zugesprochen.
Einen Schadenersatz- und Genugtuungsanspruch für den zwangsweisen Aufenthalt bzw. das Asylverfahren in Italien lehnt das Bundesgericht ab, da es an der Widerrechtlichkeit und an einer Schutznorm für Vermögensschäden fehlte (E.6. und 7.).
Kommentar: Wenn man versucht, sich die schrecklichen Stunden dieser Flüchtlingsfamilie auf Schweizer Boden vorzustellen, dann stellt man sich wohl auch die Frage: Wie kann hier je wieder Gerechtigkeit hergestellt werden?
Das Bundesgericht hat seine Aufgabe mindestens im Rahmen des geltenden Rechts und des gegebenen Sachverhalts nicht schlecht gelöst. Ob die Flüchtlingsfamilie von Gerechtigkeit sprechen würde, ist eine andere Frage.