Unfallähnliche Körperschädigung: Das neue Recht bringt keine Verbesserung

Im Leitentscheid 8C_22/2019 vom 24. September 2019 schreibt das Bundesgericht zur anfangs 2017 neu geregelten unfallähnlichen Körperschädigung (UKS) tiefere Anforderungen für den Entlastungsbeweis fest.

Laut dem Entscheid wird geprüft, ob der Unfallbegriff gemäss Art. 4 ATSG erfüllt ist. Falls ja, ist der Fall durch die Unfallversicherung gedeckt. Falls nein, wird geschaut, ob eine Listenverletzung gemäss Art. 6 Abs. 2 UVG vorliegt. Falls nein, besteht keine Deckung durch den Unfallversicherer. Liegt aber eine Listenverletzung vor, stellt sich die Frage, ob sich ein «initiales, sinnfälliges Ereignis» erheben lässt. Liegt kein ebensolches vor, oder nur ein solches ganz untergeordneter resp. harmloser Art, «vereinfache dies den Entlastungsbeweis des UVG-Versicherers», schreibt das Bundesgericht.

Zwar ist grundsätzlich für die Anwendung von Art. 6 Abs. 2 UVG kein äusserer Faktor, also kein unfallähnliches sinnfälliges Ereignis, oder keine allgemein gesteigerte Gefahrenlage mehr vorausgesetzt. Wie aber soll man sonst die unfallähnliche Körperschädigung von der abnützungs- oder krankheitsbedingten Ursache abgrenzen? Insofern bleibt dieses «sinnfällige Ereignis» trotzdem relevant.

Der Gesetzgeber wollte eine Erleichterung für den Versicherten und eine Entlastung der Krankenkassen schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, schaffte er das Erfordernis eines «sinnfälligen Ereignisses» ab. Dies sollte eigentlich eine Beweiserleichterung zu Gunsten der Versicherten durch eine gesetzliche Vermutung darstellen: Der Unfallversicherer muss bei Vorliegen einer Listenverletzung leistungspflichtig werden, sofern ihm nicht der Entlastungsbeweis gelingt. Dabei hat der Gesetzgeber übersehen, dass sich das Erfordernis des «sinnfälligen Ereignisses» im Ergebnis gar nicht abschaffen lässt. Wenn eine Gesundheitsschädigung nicht auf «Abnützung oder Erkrankung» zurückzuführen ist, dann muss zur Abgrenzung zwangsläufig ein «Ereignis» benannt werden.

Den Entlastungsbeweis, und damit das Entscheidende, hat der Gesetzgeber für den Unfallversicherer stark erleichtert: Seine Leistungspflicht entfällt nicht erst dann, wenn die UKS keine auch nur geringe Teilursache der Körperschädigung mehr darstellt. Vielmehr muss der Unfallversicherer schon dann nicht mehr leisten, wenn die Listenverletzung zu einem Anteil von mehr als 50% auf Abnützung oder Erkrankung zurückzuführen ist (E 8.5.). Das heisst, wenn die Ursachen «Krankheit und Abnützung» im ganzen Ursachenspektrum mehr als 50% ausmachen (E 8.2.2.1.). Dies muss der Unfallversicherer nur mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit beweisen (E 8.6.), und nicht mehr «eindeutig», wie unter dem alten Recht.

Der Gesetzgeber hat somit versehentlich nicht eine Vereinfachung oder Verbesserung, sondern eine Verschlechterung für den Versicherten geschaffen. Dies müsste der Gesetzgeber dringend korrigieren.

4. November 2019 / Bettina Umhang