Auch unselbständige behinderte Kinder haben Anspruch auf Assistenzbeiträge

Das St. Galler Versicherungsgericht hatte einen Assistenzbeitrag abgelehnt, den die Eltern für ihren sechsjährigen Jungen verlangten, der als Frühgeburt mit zahlreichen Missbildungen zur Welt kam und aufwendig von seinen Eltern daheim gepflegt wird. Die Eltern verlangten eine Hilflosenentschädigung und einen Assistenzbeitrag, weil das Kind bei sämtlichen alltäglichen Lebensverrichtungen auf regelmässige und erhebliche Dritthilfe angewiesen sei, dauernde medizinisch-pflegerische Hilfe benötige und eine ständige persönliche Überwachung. Ihr Sohn war über zwei Jahre in Spitalbehandlung und wohnt seither zu Hause. Er litt an einem erheblichen Entwicklungsrückstand, musste praktisch ständig künstlich beatmet und täglich sechzehn Stunden pflegerisch betreut werden. Der Mehraufwand wurde von der Abklärungsperson der IV auf knapp 15 Stunden pro Tag eingeschätzt. Nach Abzug der Spitex-Leistungen verbleibe ein Intensivpflegezuschlag von gut 4 Stunden, Anspruch auf Assistenzbeiträge gebe es nicht. Das Versicherungsgericht sprach zwar 6 Stunden Intenvispflegezuschlag zu, lehne die Assistenzentschädigung aber auch ab. Das Bundesgericht spricht auch die Assistenzentschädigung zu.

Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hatte zwar die Voraussetzung eines Betreuungsmehraufwandes von 6 Stunden täglich bejaht. Der Fokus der Assistenzentschädigung richte sich auf ein bestimmtes Mass an Selbständigkeit, das mit der Entschädigung gefördert werden solle. Wenn jemand sechs Stunden Pflege benötige, so spreche dies nicht für eine ausreichende Handlungsfähigkeit oder Selbständigkeit, welche die Zusprache der Assistenzentschädigung rechtfertigen würde. Die Verordnungsbestimmung, welche kein Mindestmass an Selbständigkeit oder Urteilsfähigkeit voraussetze, sei gesetzwidrig.

Das Bundesgericht hält demgegenüber fest, auch Minderjährige hätten nach Gesetz Anspruch auf Assistenzentschädigung, seien aber nie voll handlungsfähig. Ein Assistenzbeitrag komme schon ab Geburt in Frage, weshalb der Gesetzgeber davon abgesehen habe, ein Mindestmass an Autonomie und Eigenverantwortung für Minderjährige gesetzlich näher zu umschreiben. Das Ergebnis sei klar: Wer als Minderjähriger Anspruch auf Intenvispflegezuschlag von 6 Stunden hat, dem stehte auch ein Assistenzbeitrag zu.

Bundesgerichtsentscheid 8C_9/2019 vom 22. August 2019, wird publiziert.