Hirnverletzung doch nicht überwindbar

Im Oktober 2000 erlitt Forstwart R.S. ein schweres offenes Schädel-Hirn-Trauma, als ihm beim Fällen eines Baumes ein Ast auf den Kopf fiel. In einem dreijährigen intensiven Rehabilitationsprozess kämpfte er sich mit Hilfe der SUVA und der IV dank einer Umschulung teilweise zurück ins Erwerbsleben. Zehn Jahre später entdeckt die IV Aargau die Nebendiagnose „Schleudertrauma“ in den Akten und will die halbe Rente mit Hilfe des berüchtigten Gutachteninstituts ABI streichen.

Das ABI, das sich in einer selbst verfassten Studie brüstet, die Arbeitsfähigkeit im Schnitt 30% höher anzusetzen als die behandelnden Ärzte, fackelt nicht lange: Es stellt eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustands fest und erklärt Herrn S. für voll arbeitsfähig. Dumm nur, dass die Gutachter nachweislich die Akten des Unfalls nicht gelesen haben. Dumm nur, dass sie „übersehen“ haben, dass der Versicherte nach vier Stunden Arbeit jeweils so erschöpft ist, dass er sich zwei bis drei Stunden hinlegen muss. Dumm auch, dass sie nicht beachtet haben, dass er sich zwischen den strapaziösen Untersuchen im ABI jeweils mindestens zwei Stunden zum Schlaf hinlegt.

Wir beauftragen den Neurologen Dr. Zangger, der den Verletzten seinerzeit als SUVA-Spezialist in der Rehabilitation begleitet hatte, mit einem Verlaufsuntersuch. Er kommt zum Schluss, dass sich in den letzten zehn Jahren gar nichts zum Guten verändert hat, und stellt die Frage in den Raum, wie man mit einer fachärztlichen Ausbildung auf die Idee kommen kann, eine Hirnverletzung würde sich Jahre nach Abschluss der Rehabilitation plötzlich doch noch wesentlich verbessern. Die IV Aargau will vom Einwand nichts hören, erklärt den SUVA-Neurologen kurzerhand für befangen und streicht die Rente gerade einmal drei Tage nach Einreichung des Einwands. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hat nun dem üblen Spiel ein Ende bereitet und unsere gegen die Streichung der IV-Rente erhobene Beschwerde mit Urteil vom 23. April 2014 gutgeheissen.

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, 4. Kammer, Urteil vom 23. April 2014, VBE.2013.174